Dr. Klaus Reinhardt „Wir werden in einer Art hinterfragt werden, wie wir sie bisher nicht kennen“

Bei der Jahresversammlung des Hartmannbunds versucht ihr Vorsitzender die Ärzteschaft zu mehr Offenheit bei der Digitalisierung zu motivieren. Alle, die nicht bald in Ruhestand gingen, würden sonst den Anschluss an ihre Patienten verlieren.

Die verfasste Ärzteschaft muss mehr eigene Ideen dazu entwickeln, wie sie die Digitalisierung für eine bessere Versorgung ihrer Patienten einsetzt. Das forderten der Vorstandsvorsitzende des Hartmannbunds, Dr. Klaus Reinhardt, und andere Redner am Freitag in Berlin, wo der Ver- band seine Hauptversammlung abhielt. „Wir sollten uns nicht wehren, sondern pragmatisch dem Thema öffnen“, sagte Reinhardt, der eine beträchtliche Verweigerungshaltung bei vielen Ärzten ausmachte. „Ob man die Digitalisierung liebt oder nicht ist völlig egal, denn sie wird kom- men.“ Alle Ärzte, die „noch länger als fünf oder sechs Jahre arbeiten“, müssten sich mit neuen Möglichkeiten digitaler Angebote beschäftigen, weil sie sonst den Anschluss an Techniken ver- lören, mit denen Patienten wie selbstverständlich umgingen. „Wir werden in einer Art hinter- fragt werden, wie wir sie bisher nicht kennen“, sagte Reinhardt. Das medizinische Wissen der Welt sei bald für jedermann überall und immer verfügbar, „ihr Wissensmonopol wird die Ärzte- schaft verlieren“. Reinhardt räumte ein, dass manche der in der Ärzteschaft in den zurücklie- genden Jahren formulierten Vorbehalte gegen die Digitalisierung „angemessen waren und dass es auch keine vertrauensbildenden Maßnahmen in der Politik gab“, um dem entgegenzuwirken. „Nichtsdestotrotz sind die Alternativen, die die verfasste Ärzteschaft anbietet, nicht so großartig.“ Reinhardt griff einen klassischen Einwand vieler Ärzte auf, der auch bei der Hauptversammlung in mehreren Varianten zu hören war: Dass nicht klar sei, ob Mediziner für Fehler hafteten, die bei Behandlungen mit digitalen Produkten oder bei auf künstlicher Intelligenz fußenden Diagnosen entstünden. Die Furcht vor unkalkulierbaren Risiken für Ärzte sei mit Tatsachen oder Rechtsnormen nicht zu belegen. „Wir leben in der Vorstellung, dass bei der Digitalisierung nie wieder Fehler passieren dürfen. Diese Annahme ist völlig unzutreffend.“ Sehr wohl vorstellbar sei aber, dass Patienten Ärzte damit konfrontierten, wenn diese auf digitale Instrumente verzichteten und dadurch Patienten Schaden erlitten. „Der Zeitpunkt, an dem diese Frage unter forensischen Aspekten behandelt werden wird, ist nicht weit weg“, prognostizierte Reinhardt.