Schnellere Arzttermine für Kassenpatienten

Gesetzentwurf: Gesundheitsminister Spahn greift in den ärztlichen Alltag ein. Opposition und Mediziner werfen ihm vor, am Problem Medizinermangel vorbeizuarbeiten

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Berlin/ Bielefeld. Kassenpatien- ten sollen schneller einen Arztter- min bekommen. Das ist ein Kern- punkt im Gesetzespaket von Gesundheitsminister Jens Spahn, das das Bundeskabinett auf den Weg gebracht hat. Demnach sol- len Ärzte in Zukunft statt 20 min- destens 25 Wochenstunden für gesetzlich Versicherte da sein. Gruppen wie Augenärzte, Frauen- und Hals-Nasen-Ohren- Ärzte werden zudem verpflichtet, mindestens fünf Stunden pro Woche als offene Sprechstunde anzubieten.
„Gesetzlich Versicherte warten zu oft zu lange auf Arzttermine“, sagte Spahn und versprach eine V eränderung. „Das ist gut, aber ein Reglement des freien Arztbe- rufes geht gar nicht“, sagt dage- gen Theo Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen- Lippe. Auch der Bundesvorsit- zende des Deutschen Hausärzte- verbandes, Ulrich Weigeldt, sieht

Schwachstellen: „Wer denkt, dass er mit praxisfernen Regularien die Versorgung verbessern kann, ist auf dem Holzweg.“ Er fordert eine Stärkung der Hausarztver- sorgung.

Dass Spahn die Kassenärztlichen Vereinigungen in unterversorg- ten Gebieten in die Pflicht neh- men möchte – etwa mit mobilen Praxen oder digitalen Sprechstun- den –, hält Windhorst generell für eine gute Idee, wenn auch die Pflicht das Problem nicht löse: „Wir brauchen mehr Mediziner.“ Spahn selbst räumt ein, dass das Gesetz nur ein erster Schritt sei. Er hofft etwa darauf, dass andere Länder dem Beispiel NRWs folg- ten, mehr Medizinstudienplätze sowie andere Auswahlkriterien zu installieren. Zudem soll eine Reform der Notfallversorgung folgen.

Der Spitzenverband der gesetzli- chen Krankenversicherung begrüßte zwar die Ausweitung der Mindestsprechstundenzahl, stellte aber die parallel geplante

höhere Vergütung der Ärzte infrage. „Muss es wirklich noch mehr sein?“ Bereits heute zahle die GKV im Schnitt pro Jahr mehr als 380.000 Euro Honorar an jede Arztpraxis, sagte Spre- cher Florian Lanz.

Kritik kam auch von der Opposi- tion. Die Grünen sagten, Spahn versäume es, sich den grundle- genden Problemen der V ersor- gung anzunehmen. Die Linke beklagte, mit dem neuen Gesetz ende die Bevorzugung von Pri- vatpatienten bei der Terminver- gabe nicht.

Bei aller Kritik findet Windhorst auch gute Inhalte im Entwurf. Zum Beispiel, dass Patienten künftig Impfstoffe aller Herstel- ler zur Verfügung stehen und diese nicht mehr von den Kran- kenkassen ausgeschrieben wer- den: „Eine wichtige Neuerung, die uns im letzten Winter einige Tote durch die nicht finanzierte Vierfach-Grippe-Impfe erspart hätte.“